Die undurchdringliche Kategorisierung der Weine

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Wer vor dem Weinregal steht (und sich nicht als Kenner bezeichnet), ist regelmäßig ziemlich überfordert. So viele Bezeichnungen! So viele Qualitätsangaben! Worauf muss man achten? Was sagt mir das alles? Wenn verschiedenste Länder über Hunderte von Jahren fachsimpeln und mit vielen bürokratischen Regeln ständig neue Definitionen beschließen, ist es kein Wunder, wenn das Ergebnis ein schier undurchdringlicher Dschungel wird.
Ganz ehrlich? Oft kauft man einfach das Etikett, das einem gefällt, in der Hoffnung, dass der Inhalt dann auch dazu passt.
Wir wollen heute ein wenig Licht ins Dunkel bringen, indem wir die Sache stark vereinfacht darstellen (liebe Experten, bitte nicht in Ohnmacht fallen). Und für alle anderen: Gießt euch ein großes Glas Wein ein!
Es waren einmal die Spanier, Franzosen, Portugiesen und Italiener. Die sagten: Die Herkunft bestimmt den Wein. Man schmeckt, woher er kommt, ¡Claro que sí! Wenn du also die Gegend auf das Etikett schreibst, ist das quasi schon eine Auszeichnung. Darum heißt der Champagner so (er kommt aus der Champagne), der Chianti (weil er aus der Chianti-Gegend kommt), und der Portwein trägt seinen Namen, weil er aus Porto kommt.
Doch dann kamen findige Menschen und nahmen nur ein wenig Chianti, verschleppten ihn an einen anderen Ort und mischten ihn mit Weinen, die gar nicht aus dem Chianti kamen. Oder sie bauten einen köstlichen Sekt in der Pfalz an und nannten ihn Champagner. Sakrileg! Um dieser »Regionsbetrügerei« Herr zu werden, wurden zusätzliche Bezeichnungen entwickelt:
Die dénomination origine controllé (DOC) und die dénomination originale controllé géographe (DOCG). Erstere sagt (ganz vereinfacht ausgedrückt): »Ich komme aus einer bestimmten Gegend« (und das wird auch kontrolliert), zweitere sagt: »Ich komme aus einer bestimmten Lage innerhalb dieser Gegend« (und auch das wird kontrolliert). Da sich die romanischen Spachen ähneln, passten die Abkürzungen glücklicherweise fast überall.
Die Deutschen gingen die Sache eher analytisch an (wen wundert`s?). Ferdinant Oechsle, ein Mechaniker und Goldschmied aus Württemberg, trat in die Weltgeschichte ein, als er 1836 eine Waage erfand, die das sogenannte Mostgewicht definieren konnte. Nach ihm wurde denn auch diese Maßeinheit benannt: Grad Oechsle (abgekürzt °Oe). Das Mostgewicht bestimmt (grob gesagt), wieviel Zucker der Wein enthält. Und da aus Zucker Alkohol wird, ist das eine wichtige Information und gibt auch klare Hinweise auf die spätere Qualität des Weins. Nach dem deutschen Weingesetz werden Weine deshalb nach Oechsle definiert. So muss ein Kabinett-Wein mindestens 76° Oechsle aufweisen, eine Spätlese mindestens 90° und eine Trockenbeerenauslese sogar mindestens 150°.
Und dann kam die EU und nahm sich vor, die Sache mal gründlich zu regeln und aufzuräumen, damit die Verbraucher sich orientieren können und die europäischen Weine im internationalen Vergleich klarer positioniert werden. Ein hehrer Ansatz. Wir sind überzeugte Europäer, denn wir denken, dass nur Gemeinschaft stark macht und uns vor Kriegen (auch) untereinander schützen kann. Doch manchmal, das geben wir zu, schlägt die Bürokratie aus Brüssel über die Stränge. Als es z.B. die Regel gab, den Camembert so hygienisch aus pasteurisierter Milch herzustellen, dass er leider jeden Geschmack verlor, gab es einen Aufstand in Frankreich (völlig richtig, wie wir finden).
Aber zurück zum Wein. 2009 gab es ein umfassendes EU-Gesetz, das Weine einheitlich kategorisiert und den neuen Schwerpunkt auf das sogenannte »romanische« Prinzip (also die Lage) legte. Bis zum Jahr 2026 muss es final umgesetzt werden. 17 Jahre ist für uns Winzer ungefähr das gleiche wie eine Deadline bis morgen, da gerieten also viele ins Schwitzen.
Wir haben ja schon in vergangenen Newslettern erzählt, dass auch wir in den letzten Jahren stark auf Lagenweine gesetzt haben und unsere Terroir-Rieslinge in Folge diverse Preise eingeheimst haben. Für Winzer, die nicht so eine berühmte Lage wie die Südpfalz haben, ist diese Gesetzesänderung jedoch nicht unbedingt ein Zuckerschlecken, denn auch wenn ihre Weine vor Oechsle nur so strotzen, können sie sie nicht ohne weiteres in der höchsten Kategorie vermarkten.
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Foto: g.U. Weyherer Michelsberg
Doch auch wir Winzer in den renommierten Lagen können nicht einfach tun und lassen, was wir wollen. Der gute alte Oechsle mischt hierzulande nach wie vor mit, und die Weine müssen viele Proben und Analysen bestehen, bevor sie sich die neue Top-Auszeichnung erkämpfen können.
So richtig einfach ist es seitdem also nicht geworden und außerdem wurden die Begriffe ins Deutsche übersetzt, sodass die o.g. Abkürzungen nun anders sind. Aber man kann sich drei Kategorien merken, wenn man das nächste Mal völlig erschlagen vor dem deutschen Weinregal im Supermarkt steht:
Bild:  Überreife, rosinenartige, ausgetrocknete Trauben.
  • g.U. = geschützte Ursprungsbezeichnung (das entspricht dem oben vorgestellten docg)
    Dies ist die crème de la crème. Innerhalb dieser Kategorie gibt es auch Abstufungen:
    So kann ein Premiumwein innerhalb seiner Kategorie noch höher bewertet werden, wenn z.B. die Trauben nur von einem einzigen Weinberg stammen. Das ist dann eine geschützte Ursprungsbezeichnung aus Einzellage. Die Einzellage wird dabei konkret bezeichnet. Bei uns wird das in Kürze auf dem Etikett z.B. so aussehen: »g.U. Weyherer Michelsberg«.
    Bei uns im Weingut bezeichnen wir nur die »Weine mit gU aus Einzellage« als Premiumweine. Einige Genussweine (also für uns eine Kategorie darunter) gehören jedoch auch in den Bereich gU (z.B. unser Grauburgunder trocken oder der Muskateller), da die Trauben nur von einem Weinberg gekeltert werden.
  • g.g.A. = geschützte geografische Angabe (das entspricht dem oben vorgestellten doc)
    Dies ist das qualitativ hochwertige Mittelfeld (wir bezeichnen sie bei Graf von Weyher als Genussweine oder Schoppenweine. Die Entscheidung, ob ein Wein ein Genusswein oder Schoppenwein wird, geht dann wieder auf den uns nun schon bekannten Oechsle zurück: Je süßer die Traube zum Erntezeitpunkt ist, umso eher ist es ein Genusswein.
  • Ohne Herkunftsbezeichnung - Deutscher Wein
    Die Weine für jeden Tag ohne genaue Herkunftsbezeichnung.
    Diese Kategorie bieten wir bei Graf von Weyher nicht an.
Und für alle Experten, die jetzt innerlich aufschreien: Ja, es gibt noch ganz viele Abstufungen. Und Untergruppen. Und Sonderregeln. Doch wenn wir diese alle hier aufführen, wird das eine Masterarbeit und die Verwirrung ist größer als der Nutzen. Daher verzeiht die Verallgemeinerung und trinkt einen guten Schluck zum Trost. Ob DOCG, AOC oder gU überlassen wir euch!
  Eure geografisch geschützten Grafen

2 Kommentare


  • Klaus W.

    ich freue mich immer über Ihre Info-Kunden-Mails. Und da sie gut und schön getextet sind, macht es Freude sie zu lesen.
    Besonders der Herbstbrief mit der sehr poetischen Beschreibung der jahreszeitlichen Stimmung ist dem Verfasser sehr gut gelungen
    Aber auch die Informationen zum Thema Wein sind immer sehr gut formuliert und interessant zu lesen. Man lernt gern noch dazu…


  • Christian H.

    Guten Morgen,

    wir trinken nicht nur eure Weine sehr gern, auch dieser Newsletter gehört in die Premium-Kategorie: sehr lesenswert.
    (kommt selten vor)

    herzliche Grüße aus Berlin


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